Von der Chemnitzer Hütte über die Südflanke Schwierigkeit: T4+
Der zweithöchste Berg der Zillertaler Alpen besitzt das gewisse Etwas: Auf der Nordseite, über dem Schlegeisstausee, holt der Grat kilometerweit aus, um dann in einem einzigen Schwung die leuchtende Firnkuppel emporzuheben. Vier Gletscher umlagern den Berg und verbreiten trotz langjährigem Schwund immer noch Glanz. Ein majestätischer und harmonischer Berg.
Wer den Großen Möseler ohne Spaltengefahr und unangeseilt besteigen möchte, hält sich wie wir an die Südtiroler Seite und kommt von Süden herauf. Die am Nevesstausee (1856 m) oder an der Chemnitzer Hütte (2420 m) beginnende Tour ist nach Jahrzehnten des Gletscherschwunds praktisch eisfrei. Auf der Möseler-Südroute kann man sich den Eisbruch des Östlichen Nevesferners heute aus sicherer Entfernung anschauen.
Allerdings stufen wir das raue Gelände des Schlussabschnitts als „Alpinwanderung“ ein. Die Gipfeltour auf den Möseler ist reserviert für Personen, die neben der absoluten Trittsicherheit auch die nötige Erfahrung im hochalpinen Bereich mitbringen. Im oberen Teil muss man sich selbständig orientieren, das heißt ohne Trittspuren und teils ohne Steinmännchen. Auf den Gletscherschliffen unter Möselekopf (links) und Kleinem Möseler (rechts), in circa 3200 Metern Höhe, sollte man auf Steinschlag achten und seine Aufstiegslinie daran anpassen. An dem bis zu 30° steilen Hang unterhalb des Gipfelgrats sind oft Altschneereste oder Neuschneestrecken zu begehen. Erst bei geeigneter Witterung im Spätsommer trifft man schneefreie Verhältnisse an. Dann wird man sich auf besagtem Hang aber vielleicht den Schnee herbeiwünschen, so brüchig und unangenehm ist die Trümmerhalde, über die man dann aufsteigen muss. Bei einem Fehltritt geraten dort auch größere Felsstücke in Bewegung. Am Tage unserer Besteigung, am 18. August 2011, wurde nicht zufällig gerade dieser Abschnitt Schauplatz eines Hubschrauberrettungseinsatzes.
Hat man den heiklen Hang bezwungen, findet man sich auf dem Sattel (3373 m) zwischen Großem Möseler (3479 m) und Kleinem Möseler (3405 m) wieder, wo man freie Sicht auf die Nordseite und das spaltige Waxeggkees hat. Es folgt der weiterhin rutschig-brüchige Aufstieg links des Möseler-Ostgrates. Unser Rat: Wählt lieber den Ostgrat selbst für den Aufstieg, denn die leichte Kletterei dort (erster Schwierigkeitsgrad) ist zwar etwas ausgesetzt, aber dank des festen Granits sehr sicher. Ein wirklich schönes Finale also, das am Gipfel gekrönt wird durch ein sensationelles Panorama: Der Große Möseler präsentiert die Zillertaler Hauptgipfel – dank seiner nach Norden vorgeschobenen Position - in perfekter Staffelung.