Über die Hohenwartscharte (Kärntner Normalweg / Weg der Erstbesteiger) Schwierigkeit: WS+
Der Großglockner ist der mit Abstand höchste und schneidigste Gipfel in den Hohen Tauern und Zillertaler Alpen. In seiner „Klasse“ steht er östlich des Brenners alleine da. Immer mal wieder hört man allerdings von Staus und Auseinandersetzungen am Normalweg, von Bergführern in Hausherrenmanier, von überforderten Besteigern und traurigen Unfällen, die den Großglockner in ein zweifelhaftes Licht rücken. Kann es zwischen Massenandrang, Besitzansprüchen und Kommerz noch Kameradschaftlichkeit und Bergerleben geben? Bei gutem Zeitmanagement und einer Prise Glück lautet die Antwort ganz klar „Ja“. Jedenfalls konnte ich bei meiner eigenen Begehung am 13. August 2018 durch einen frühen Aufbruch das Gedränge meiden, wenigstens im Aufstieg. Und im Gewimmel beim Abstieg überwogen doch Rücksichtnahme und gegenseitige Hilfe, was viel zur Sicherheit der etwa 150 bis 200 Besteiger an diesem Tag beitrug.
Hier wird der Kärntner Normalweg auf den Großglockner vorgestellt, bei dem man von der Salmhütte über die Hohenwartscharte heraufkommt („Weg der Erstbesteiger“). Es ist eine mäßig schwierige Hochtour, die sowohl Fels- als auch Gletscher- und Klettersteigpassagen besitzt und sich auf teils sehr luftigen Felsgraten und -wänden abspielt. Sie eignet sich nur für hochalpin ausreichend erfahrene, klettergewohnte und schwindelfreie Bergsteiger. Wer in dieser Beziehung Zweifel an sich hat, sollte sich einem Bergführer oder einem wirklich erfahrenen Bergsteiger anschließen.
Was braucht es noch für eine zufriedenstellende Glocknertour? Zunächst einmal eine individuell bemessene, ausreichende Akklimatisierung, die man sich ruhig einige Euro kosten lassen sollte. Auf der beschriebenen Route kann man bis zu drei Übernachtungen - im Glocknerhaus, in der Salmhütte und in der Erzherzog-Johann-Hütte – dazwischenschalten. Mit jeder Etappe wächst die Neugier auf die anspruchsvollen letzten 200 Höhenmeter und wenn es dann soweit ist, fühlt man sich – dank der Höhenanpassung - körperlich wohl und kann den einzigartigen Gipfelgrat auch genießen.
Der Großglockner-Normalweg ist eine mehr als empfehlenswerte Tour: Der abwechslungsreiche Verlauf, der feste und schöne Fels, die Ausgesetztheit am Grat und die unglaublichen Tiefblicke - das findet man in den Hohen Tauern nur auf wenigen Normalwegen. Der Hohe Eichham mag ihm ähneln, doch am Glockner ist alles größer, imposanter und in der Summe auch schwieriger. Wenn ich mein eigenes Glockner-Erlebnis einmal nüchtern bewerte – was im Rückblick auf jenen strahlenden Morgen echt schwerfällt – dann war es wohl die schönste leichte Kletterei, die ich in den Hohen Tauern und Zillertaler Alpen unternommen habe. Dieser Berg hinterlässt Staunen und Bewunderung. Neben dem hohen Menschenaufkommen hat er allerdings noch eine weitere Schattenseite: Die Höhe fast an der Viertausendmetermarke sorgt oft für ungünstige Wetter- oder Schneeverhältnisse. Um schneefreien, trockenen Fels anzutreffen, muss man daher auch in der Sommersaison oft geduldig warten.